Virtuelle Realität in der psychologischen Forschung

Virtuelle Realität (VR) ist ein häufig vorkommender Begriff, wenn es um moderne, zukunftsorientierte Technologien geht. Aber was ist VR eigentlich?

Der Informatiker Jaron Lanier beschrieb VR 1989 sehr abstrakt als „interaktive Simulation von realistischen oder imaginären Umgebungen“.

Dies bedeutet, dem VR-Anwender wird eine computersimulierte Welt präsentiert und er kann mit dieser interagieren. Um das zu ermöglichen, erfasst ein VR-System das Verhalten des Anwenders mit Hilfe von Sensoren und Eingabegeräten und passt die VR-Welt entsprechend an.

Dabei werden möglichst viele Sinneskanäle mit künstlichen Informationen versorgt:

  • „Sehen“: visuelle Darstellung mittels Videobrille oder Projektion
  • „Hören“: auditive Informationen mit Kopfhörer oder Surround-Sound Systemen
  • „Bewegungswahrnehmung“: Bewegungsinformationen mittels Bewegungssimulator
  • „Riechen“: Vermittlung von Gerüchen mittels Olfaktometer
  • „Fühlen“: Haptik, Schmerzwahrnehmung

Zur Interaktion mit der virtuellen Welt werden üblicherweise Trackingsysteme zur Erfassung der Kopfposition und / oder Orientierung, der Hand, des Körpers oder der Blickrichtung aber auch Eingabegeräte (wie Joystick, Lenkrad) verwendet. Weitere Interaktionsmöglichkeiten lassen sich durch Feedback-Systeme (Physiologie, Eyetracking) oder Spracherkennung realisieren.

Auf die technischen Möglichkeiten, sowie auch  die Wahrnehmungspsychologie der Aspekte „Präsentation“ und „Interaktion“ werden wir in nachfolgenden Artikeln näher eingehen.

Im Bereich der psychologischen Forschung ermöglichen virtuelle Welten die kontrollierte und standardisierte Präsentation von künstlichen, jedoch als real erlebten Situationen. Daraus ergeben sich vielfältige Möglichkeiten zur Veränderung und Manipulation dessen,  was individuell als wirklich erlebt wird. So konnte unter anderem im Bereich der Angstforschung nachgewiesen werden, dass das Erleben einer Umgebung mittels VR, die gleichen körperlichen Reaktionen erzeugen kann wie eine reale Situation. Mittels Virtueller Realität lassen sich die Möglichkeiten der empirischen Forschung, aber auch der Expositionstherapie, zum Beispiel zur Unterstützung von kognitiver Verhaltenstherapie (KVT), erheblich erweitern.

Beispiele von wissenschaftlichen Studien mit VR

Ausgewählte Studien werden im VR-Blog mit Bildern, Videos und weiteren Informationen vorgestellt:

Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien, welche unter Verwendung des VT+ VR-Simulationssystems durchgeführt wurden sind auf der Seite Publikationen aufgelistet.

Internationale Forscher besuchen CAVE-System der JMU

Höhenszenario

Besucher erleben ein 3D Höhenszenario

Im Rahmen des Abschluss-Symposiums der Forschergruppe „Emotion & Verhalten“ besuchten Forscher aus verschiedenen Bereichen der psychologischen Forschung das CAVE System des Lehrstuhls für Psychologie I an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Die nach sechsjähriger DFG-Förderung endende Forschergruppe hat sich in einer Vielzahl von Untersuchungen um die Differenzierung reflektiver und impulsiver psychischer Prozesse und die verstärkte Kooperation von sozialpsychologischer und biopsychologischer Forschung verdient gemacht (Publikationsliste der Forschergruppe).

CAVE Demonstration

Das CAVE System in Aktion

Ein Projekt der Forschergruppe (Furcht in virtueller Realität: Wie beeinflusst die „Präsenz“ die emotionale Reaktion?) behandelte hierbei wichtige Aspekte und Voraussetzungen für bewusstes emotionales Erleben in VR. Im Anschluss an die Vorstellung der komplexen und interessanten Forschungsergebnisse und eine intensive Diskussion mit dem kanadischen VR-Experten Stéphane Bouchard (Cyberpsychology Lab of the University of Quebec in Outaouais) wurde allen Interessierten die Möglichkeit geboten, VR selbst zu erleben. Präsentiert wurde ein von VT+ erstelltes virtuelles Szenario zum Erleben von Höhen-Situationen auf einer Aussichtplattform.

Auf eine ausführliche Besichtigung und das Sammeln ganz individueller Eindrücke in VR durch alle Besucher wurde anschließend lebhaft über Immersion und Präsenz in VR, technische Aspekte des CAVE Systems und dessen Anwendung auf neue Untersuchungsfragen diskutiert.

Statement von Mathias Müller (VTplus GmbH)
Wir freuen uns sehr über die positiven Rückmeldungen zur Wirkung des präsentierten VR-Szenarios. An dieser Stelle möchten wir uns auch bei der Universität Würzburg für die fortwährend gute Zusammenarbeit im Kooperationsprojekt CyberSession, aus welchem die VTplus GmbH als Ausgründung der JMU hervorgegangen ist, bedanken.

Autofahrt und Tunnelfahrt in VR

Untersuchung des Verhaltens bei Ereignissen im Tunnel

Technische Umsetzung:

  • Visuelle Informationen mit 12 Kanal Projektion (5-seitige CAVE mit stereoskopischer Darstellung) sowie per Head-Mounted-Display
  • Bewegungs- Orientierungsinformationen von Kopf und Navigationsdevice mittels PhaseSpace Kameratracking
  • Visuelle Darstellung der 3D Umgebung mit Valve Source SDK und Modifikation VrSessionMod 0.5
  • Interaktion: Laufen mit Joystick und Fahren mit Lenkrad, Gas/Bremse
  • HMD-Fahrt mit Bewegungssimulation
  • Simulationssoftware CyberSession CS-Research MP 5.6

Wahrnehmung von Tunnelnotausgängen in Abhängigkeit von Angst und der Gestaltung der Notausgänge (Pötzl, A., 2006, JMU-Würzburg)

Technische Umsetzung:

  • Visuelle Informationen mit Head-Mounted Display VirtualResearch V6
  • Bewegungs- Orientierungsinformationen des Kopfes Polhemus Fastrak
  • Visuelle Darstellung der 3D Umgebung mit Valve Source SDK und Modifikation VrSessionMod 0.3 und mit Cortona3D Viewer
  • Interaktion: Laufen mit Joystick und Fahren mit Lenkrad, Gas/Bremse
  • Physiologiedatenaufzeichnung
  • Simulationssoftware CyberSession

Kognitives und emotionales Erleben bei virtuellen Tunnelfahrten (König, M., 2003, JMU-Würzburg)

Technische Umsetzung:

Hintergrund:

Tunnelsicherheit ist spätestens seit den Unfällen im Montblanctunnel und im Tauerntunnel ein Diskussionsthema der Scientific Community auf internationaler Ebene. In Österreich gibt es eine fast permanent tagende Tunnelkommission, deren Tätigkeitsschwerpunkt in der Steigerung der Sicherheit besteht. Der Hauptfocus der Tunnelexperten und der Tunnelforschung besteht im Allgemeinen in der Optimierung der Verkehrsüberwachung, der Fluchtmöglichkeiten und der Brandschutzeinrichtungen und dem Tunnelsystem. Auf das emotionale Erleben während einer Tunnelfahrt konnte bisher in diesen Studien nur am Rande eingegangen werden.

Ziel:

Im Rahmen der Studie wurde die Wirkung der Tunnelbeleuchtung auf das emotionale Erleben der Autofahrer untersucht. Als objektives Maß dazu diente die Modulation des Schreckreflexes. Es wurde auch untersucht, wie Interaktion via Lenkrad das Erleben mit der virtuellen Realität beeinflusst. Außerdem ergab sich die Frage, ob die psychophysiologischen Reaktionen der Versuchspersonen, Vorhersagen über ihre Zuordnung zu den Konstrukten „Sensitizer“ und „Represser“ erlauben.

Methode:

Die vorliegende Untersuchung geht auf das kognitive und emotionale Erleben bei virtuellen Tunnelfahrten von klinisch unauffälligen Personen im Alter von 20-55 Jahren ein. Die Prüfung der Hypothesen basiert auf den Datensätzen von 19 Frauen und 31 Männern. Das durchschnittliche Alter der Versuchspersonen liegt bei 35,4 Jahren.
Die Versuchspersonen erlebten zwei virtuelle Tunnelfahrten, bei denen neben der Herzrate, der Hautleitfähigkeit und der Schreckreaktion auch kognitive Variablen erfasst wurden.

Ergebnisse:

Es kann festgehalten werden, dass die Tunnelbeleuchtung die Schreckreaktion variiert hat. Die Versuchspersonen weisen in der aktiven „Interaktionsbedingung“ keine höhere Aktivierung auf, als in der passiven „Zuschauerbedingung“.
Die Interaktion scheint das Ausmaß der Aktivierung (physiologisch und kognitiv) und somit die Präsenz nicht zu beeinflussen. Die statistische Hypothesenprüfung deutet darauf hin, dass Represser keine höheren psychophysiologischen Reaktionen (HR, GSR) während der Rezeption der Tunnelsequenzen zeigen.

Diskussion:

Mit dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Beleuchtung in Tunnelanlagen einen bedeutenden Einfluss auf die Intensität der Schreckreaktionen hat. Bei den Versuchspersonen konnten keine Hinweise auf ein erhöhtes Präsenzgefühl hervorgerufen durch Interaktion gefunden werden.

Virtuelles Fliegen mit Bewegungssimulation

Therapie-Forschung der Hochschulambulanz Würzburg

Das Training beeinhaltet:

  • allgemeine Informationen über Fliegen und Angst
  • eine individuelle Analyse der Flugangst
  • die Vermittlung von darauf abgestimmten Bewältigungsfertigkeiten
  • das therapeutische Gespräch
  • und Übung im Flugsimulator.

Das Flugangsttraining baut auf verhaltenstherapeutischen Konzepten auf, die sich bei der Behandlung von Angststörungen als wirksam erwiesen haben.
Ziel ist es, dass die Betroffenen nach individueller Vorbereitung durch einen Psychologen einen Flug unternehmen und die Erfahrung machen, dass Sie gut mit der Angst umgehen können und die befürchteten Konsequenzen nicht eintreten.

Zur Vorbereitung und Planung des Trainings im Flugsimulator bekommen Betroffene ein Informationsheft und einen Fragebogen zugesandt.
Mit Hilfe der Broschüre können sie sich neue Informationen zur Angst und zum Fliegen aneignen und sich auf unser Trainingsprogramm vorbereiten.
Der Fragebogen wird genutzt, um ein genaues Bild der Flugangst zu erhalten und darauf aufbauend eine möglichst effektive Therapie zu planen.

Das Programm vor Ort dauert einen halben Tag und wird an einem Blocktermin in Würzburg an der Hochschulambulanz durchgeführt.
In einem therapeutischen Gespräch werden die Flugangst und mögliche weitere Probleme genauer besprochen. Darauf aufbauend werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Betroffenen Ihre individuelle Angst bewältigen können.
Diese Strategien werden dann in einem Flugsimulator erprobt und geübt.
Dadurch können sie die Flugsituation aus einer neuen Perspektive erleben und lernen, diese Situation immer besser zu bewältigen.

An einem dem Training folgenden Tag wenden die Betroffenen diese Fertigkeiten während eines realen Linienfluges an und machen dadurch die Erfahrung, dass sie gut mit der Angst umgehen können.
Dieser Flug wird ohne Therapeut stattfinden, wie dies ja auch bei späteren Flügen der Fall sein wird. Abschließend wird diese neue Erfahrung persönlich ausgewertet.

Weitere Informationen erhalten sie auf den Webseiten der Hochschulambulanz.

Flugangststudien der JMU-Würzburg

  • Einfluss von visueller Ablenkung auf die Angstreduktion von Flugphobikern während einer Expositionsbehandlung in virtuellen Welten (Brütting, J., 2006)
  • Einfluss von Aufmerksamkeit und Ablenkung bei der Exposition von flugängstlichen Personen in virtuellen Welten (Weigand, D., 2004)
  • Kognitive und physiologische Unterschiede zwischen Flugphobikern und Kontrollpersonen bei der Exposition in virtueller Realität (Petrusek, S., 2003)

Technische Umsetzung:

Ergebnisse:

  • Mühlberger, A., Weik, A., Pauli, P. & Wiedemann, G. (2006). One-session virtual reality exposure treatment for fear of flying: one year follow-up and graduation flight accompaniment effects. Psychotherapy Research. 16, 26-40.
  • Mühlberger, A., Petrusek, S., Herrmann, M. J. & Pauli, P. (2005). Biocyberpsychologie: Subjektive und physiologische Reaktionen von Flugphobikern und Gesunden bei Exposition mit virtuellen Flügen [Biocyber psychology: subjective and physiological reactions in flight phobics and normal subjects during flight simulations]. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie. 34, 133-143.
  • Mühlberger, A., Wiedemann, G. & Pauli, P. (2005). Subjective and physiologic reactions of flight phobics during VR exposure and treatment outcome: What adds motion simulation? Annual Review of CyberTherapy and Telemedicine: A decade of VR, 3, 185-192.
  • Mühlberger, A., Wiedemann, G. and Pauli, P. (2003). Efficacy of a one-session virtual reality exposure treatment for fear of flying. Psychotherapy Research, 13(3), 323-336.
  • Mühlberger, A., Herrmann, M. J., Wiedemann, G., Ellgring, H. & Pauli, P. (2001). Repeated exposure of flight phobics to flights in virtual reality. Behaviour Research and Therapy, 39, 1033-1050.

Sozialer Einfluss in VR

Annäherungs- und Vermeidungsverhalten bei sozialer Ängstlichkeit (Großeibl, M., 2007, JMU-Würzburg)

Technische Umsetzung:

  • Visuelle stereoskopische Informationen mit Head-Mounted Display eMagin Z800
  • Bewegungs- Orientierungsinformationen des KopfesPolhemus Fastrak mit Longranger-Source
  • Visuelle Darstellung der 3D Umgebung mit Valve Source SDK und Modifikation VrSessionMod 0.3
  • Interaktion: selbstständiges Laufen
  • Eyetracking, Gazepoint, Hitzone Berechnung
  • Physiologiedatenaufzeichnung
  • Simulationssoftware CyberSession

Virtuelle Spinnen

Einfluss von Annäherungs- und Vermeidungsverhalten auf die Angstreaktion von Spinnenphobikern (Sperber, M., 2004, JMU-Würzburg)


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Technische Umsetzung:

Ergebnisse:

  • Mühlberger, A., Sperber, M., Wieser, M. J., Pauli, P. (2008).“A virtual reality behavior avoidance test (VR-BAT) for the assessment of spider phobia.“ Journal of CyberTherapy & Rehabilitation 1,2.